FAQ

Die Deutsche Gebärdensprache (DGS) ist eine vollwertige Sprache mit eigener Grammatik, die sich regional natürlich entwickelt hat. Allein damit ist ein Erstspracherwerb möglich. Im Gegensatz dazu gibt es auch Lautsprachbegleitende Gebärden (LBG) oder Lautsprachunterstützende Gebärden (LUG) und Gebärdenunterstützte Kommunikation (GuK). Hierbei werden einzelne Worte der gesprochenen Sprache visualisiert. Einen Spracherwerb bieten LBG, LUG und GuK nicht.

LBG ist ein Kommunikationssystem zur Visualisierung der Lautsprache und wird hauptsächlich von schwerhörigen oder ertaubten Personen sowie im pädagogischen Bereich zur Visualisierung der lautsprachlichen Grammatik verwendet. Bei der Verwendung von LBG wird die Lautsprache 1:1 von Gebärden begleitet und die Grammatik der Lautsprache verwendet.

Bei der Verwendung von LUG wird nur eine reduzierte Anzahl an Begriffen eines Satzes gebärdet. Das Verständnis von LUG erfordert umfangreiche Kenntnisse der Lautsprache und eignet sich daher für Spätertaubte und mittelgradig Schwerhörige, deren Erstsprache die Lautsprache ist.

GuK ist ein Teil der unterstützten Kommunikation (UK) und kann bei Kindern mit verzögerter aber zu erwartender Lautsprachentwicklung als Unterstützung des Lautspracherwerbs Anwendung finden. 

Unter natürlichem Erstspracherwerb bzw. Mutterspracherwerb versteht man den natürlichen / unbewussten Sprachlernprozess eines Kindes durch die Sprachverwendung seines Umfeldes. Das Kind lernt zunächst durch die Rezeption später dann durch die eigene Produktion eine Sprache. Ein hörendes oder taubes Kind, welches in einem gebärdensprachlichen Umfeld (mit tauben Eltern und Verwandten) aufwächst, erlangt auf natürlichem Weg die verwendete Gebärdensprache als Erstsprache.

Ein Hausgebärdensprachkurs ist ein spezielles Hilfsangebot für Familien mit hör- oder sprachbehinderten Kindern zur Sicherung der Erziehung und Teilhabe. 

Er findet im häuslichen Umfeld des Kindes bzw. in Kombination über E-Learning und virtuelle Klassenräume statt. Das Angebot richtet sich sowohl an die Eltern als auch an die behinderten Kinder selbst. Die Kurse sind individuell auf die Familienmitglieder zugeschnitten und verfolgen das Ziel, eine gemeinsame Familienkommunikation sicherzustellen und Sprachkompetenzen für eine altersgerechte Entwicklung aufzubauen. 

Dem individuellen Bedarf der hör- bzw. sprachbehinderten Kinder, ihrer Eltern und Geschwisterkindern kann dabei nur über separate Kurse Rechnung getragen werden. Denn die hör- bzw. sprachbehinderten Kinder lernen die DGS als Erstsprache, während die Eltern und Geschwisterkinder sie als Fremdsprache erlernen und darüber hinaus noch ihr Beratungsbedarf gedeckt werden muss.

Das häusliche Umfeld ist bei den Kursen ein zentrales Element, denn nur dadurch kann ein möglichst natürlicher Spracherwerb im vertrauten Umfeld erlangt werden. Die gebärdensprachliche bzw. bilinguale Kommunikation mit den im Haushalt lebenden Personen wird trainiert und es wird der gebärdensprachliche Umgang bei alltäglichen Handlungen mit speziell auf die Situation der Familie angepasstem Vokabular vermittelt.

Standard-VHS-Kurse sind für Eltern hörbehinderter Kinder kaum geeignet, weil die dort vermittelten Inhalte in der Regel nicht auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind. Eltern brauchen ein spezielles, kindgerechtes Vokabular für den täglichen Umgang mit ihrem Baby bzw. Kleinkind. Sie müssen lernen, wie sie ihren Kindern Geschichten in DGS erzählen und ihren Spracherwerb fördern und begleiten können.

Bilinguale Förderung in DGS und Deutsch ist ein zweisprachiges Förderangebot in deutscher Laut- bzw. Schriftsprache und Deutscher Gebärdensprache. Dabei werden beide Sprachen gleichwertig behandelt und jede Sprache in ihrem Modus verwendet. Das bedeutet, das die beiden Sprachen kontrastiv angeboten werden und die hörbehinderten Kinder somit auf Basis der Gebärdensprache einen Zugang zum Erlernen der Lautsprache/Schriftsprache erhalten können.

Zwei Beispiele:

Förderung eines tauben Kinds, 3 Jahre:
Es wird der Begriff „Auto“ anhand einer Abbildung in der Erstsprache des Kindes (im Beispielfall DGS) eingeführt und die Verknüpfung über das Fingeralphabet zum schriftsprachlichen Wort „Auto“ und dem lautsprachlichen Mundbild bzw. gesprochenen Wort hergestellt.

Förderung eines tauben Kinds, 8 Jahre:
Das Kind bekommt anhand eines Videos die Aufgabe folgenden Satz in DGS zu gebärden: Das Auto fährt schnell den Berg herunter. Es benutzt dabei die Gebärden „Auto“, „Berg“, „fahren“, „schnell“, „runter“. Der Förderer erklärt, dass in DGS „Constructed Action“ und „Inkooperation“ als Bestandteile der Grammatik benutzt werden können und zeigt, wie der Satz in DGS aufgebaut wird. Anschließend gebärdet das Kind den Satz in DGS nach.

Kontrastiv dazu soll das Kind den Satz nun in LBG (Lautsprach-Begleitenden Gebärden) darstellen und die Worte in Bild- und Textform entsprechend der Lautsprachgrammatik richtig aneinanderreihen.

Der Förderer erklärt die Satzstruktur der Lautsprache und zeigt die Unterschiede zur DGS-Satzstruktur auf.

  • Hier folgt demnächst ein Beispiel in Videoform

Die reine lautsprachliche Förderung von hör- bzw. sprachbehinderten Kindern birgt die Gefahr, dass die Kinder keinen Erstspracherwerb erlangen und somit durch die sprachliche Deprivation, also den Entzug einer Sprache psychische Schäden erleiden und sich kognitiv nicht altersentsprechend entwickeln können.

Die Gebärdensprache ist für gehörlose Kinder visuell wahrnehmbar und natürlich erlernbar. Sie ist die Muttersprache gehörloser Menschen und bietet Zugang zu Wissen und Bildung. Sie ist identitätsbildend und Hauptbestandteil der kulturellen Gemeinschaft der Gehörlosen.

Sprachliche Deprivation gehörloser Kinder ist der Entzug der Gebärdensprache mit schweren kognitiven und psychosozialen Folgen.

Taubenschlagartikel zur sprachlichen Deprivation gehörloser Kinder

Jeder Mensch hat unterschiedliche Sprachbegabungen und ein individuelles Lerntempo für neue Sprachen. Auf diese Frage gibt es also keine universelle Antwort. Man braucht in etwa so viel Zeit, wie man für das Erlernen einer anderen Fremdsprache benötigt.

Deutsche Gebärdensprache wird von Gebärdensprachdozenten (tauben DGS Muttersprachlern) unterrichtet. Viele Dozenten sind Mitglied im Bundesverband der Dozenten für Gebärdensprache.
Wer DGS online lernen möchte, der kann das mit manimundo tun. Dort werden auch E-Teacher-Unterrichtsstunden angeboten. Wer sich für eine Zertifikatsprüfung fit fühlt, kann diese ebenso dort absolvieren.

Eltern eines hör- oder sprachbehinderten Kinds können bei ihrem zuständigen Sozialamt für ihr Kind einen Antrag auf Hausgebärdensprachkurs als Leistung der Eingliederungshilfe nach dem § 75 SGB IX stellen. Ziel der Hilfe ist die Teilhabe an einer angemessene Schulbildung bzw. bei jüngeren Kindern die Teilhabe an der Vorbereitung darauf (Kindergarten). Diese Hilfe kann als Sachleistung oder in Form des persönlichen Budgets gewährt werden. 

Eltern von hör- bzw. sprachbehinderten Kindern können für sich selbst den Hausgebärdensprachkurs bei ihrem zuständigen Jugendamt als Hilfe zur Erziehung gemäß § 27 SGB VIII beantragen.